„Imagine there’s no countries, it isn’t hard to do. Nothing to kill or die for, and no religion too”, schallt es über die Plaza de la Constitución, im Zentrum von Montevideo. In einer Ära, die von Terroranschlägen und Flüchtlingskrisen geprägt ist und in der erneut Mauern zwischen zwei Staaten aufgebaut werden, klingen die Verse aus John Lennons Lied aus dem Munde eines Straßenmusikers, für einen Reisenden aus Europa, völlig surreal.
Im Gegensatz zum europäischen, afrikanischen und asiatischen Kontinent, die alle mit gleichen, oder ähnlichen Problemen konfrontiert sind, sieht Lateinamerika aus, als ob es auf einem anderen Planeten wäre. In Uruguay war z. B. der Staatspräsident bis vor Kurzem „ein ehemaliger Terrorist“.
„Mujica, der weltweit als bescheiden und nett gefeiert wird, war nichts weiter als ein nutzloser Faulpelz! Ein ehemaliger Terrorist und Mörder!“, erzählt mir Jörg Thomson, während er mich ins Sportmuseum im Nationalstadion in Uruguay fährt. Jörg ist der Besitzer des Museums „Andes Museum 1972“, der mir freundlicherweise anbot, mich ins Stadion zu fahren, als ich ihn fragte, wie weit es von der Innenstadt entfernt sei. Wir kommen später noch auf die zwei Museen zurück, die ich in Montevideo besucht habe.
José Mujica, „Mann des Volkes“, „der bescheidenste Präsident der Welt“, der 90 % seines Gehalts an die Armen abgab, weiterhin in seiner alten Wohnung lebte und mit seinem „Käfer“ selber zur Arbeit fuhr, verbrachte seine Jugendzeit als Mitglied der revolutionären Organisation Tupamaro, die von der kubanischen Revolution in den 60ern und 70ern inspiriert war und Terroranschläge in ganz Uruguay durchführte.
AUF DIE NEUE FUSSBALLWELTMEISTERSCHAFT WARTEND
„Uruguay ist heute ‘die Schweiz von Südamerika’“, erzählt uns am nächsten Tag ein junger Diplomat aus Montenegro, während er im Schatten auf der Terrasse des Hotels Park Hyatt in Buenos Aires seine Limonade mit Minze trinkt. Es gibt in diesem Teil der Welt eine große Gemeinde von Montenegrinern, über 80 000, sie kamen als Erste nach Argentinien und Uruguay, noch im 19. Jahrhundert. Auf dem Friedhof La Recoleta, auf dem die berühmte Evita Perón beerdigt wurde, fanden wir zwischen Jahrzehnte alten Gräbern, die eher einer Kapelle oder einem Mausoleum glichen, auch die Ruhestätte eines Montenegriners.
Viele Balkan-Abstammende sind inzwischen erfolgreiche Geschäftsleute in ganz Argentinien und Uruguay und besitzen Restaurants, aber auch Plantagen und Minen. Es gibt aber auch viele, die die Tage in verschiedenen Gefängnissen von Lima in Peru über Asunsiona in Paraguay bis hin zu Buenos Aires und Montevideo zählten. Der Grund: wie erwartet – der Handel mit dem „Weißen Stoff“.
„Mujica legalisierte Marihuana, ermöglichte hohe Sozialhilfen für Arbeitslose, ließ homosexuelle Ehen zu…“, wiederholt der offensichtlich gar nicht links orientierte Jörg aus dem Museum „Andes Museum 1972“. Er erzählt, wie er dieses Museum als Andenken an eine der eindrucksvollsten Geschichten menschlicher Beharrlichkeit und menschlichen Überlebens eröffnete. Die Geschichte ist der Mehrheit bereits bekannt, nach ihr wurden bereits Filme gedreht, der bekannteste unter ihnen ist „Alive“ aus dem Jahr 1993. Er handelt natürlich vom Flugzeugabsturz der Rugby-Spieler aus Uruguay, die 1972 in den Anden abstürzten. Von den 45 Passagieren, die 72 Tage Leid, in den einsamen Bergen – Hunger, Durst, Kälte, Lawinen, Sonnenbrände und notgedrungenen Kannibalismus – erlebten, überlebten gerade mal 16 die Ankunft der Rettungskräfte.
Dieser Ort ist eines der beeindruckendsten Themenmuseen, die einem Ereignis gewidmet wurden: Es gibt eine große Anzahl an Karten, Kalender, die das Ereignis von Tag zu Tag schildern, Originalgegenstände und Fotografien mit Erläuterungen in Englisch, was nahezu eine Ausnahme ist, wenn man sich in Lateinamerika befindet.
„Die Grundidee des Museums besteht darin, den Menschen zu zeigen, was alles möglich ist, wenn man nur ein Ziel vor Augen hat! Diese Menschen träumten davon, bis Weihnachten ihre Familien lebend wiederzusehen und 16 von ihnen haben das Ziel erreicht. Meiner Meinung nach ist das, was Uruguay heute als Nation fehlt, gerade das – ein Ziel! Aus diesem Grund würde ich mir wünschen, dass wir gemeinsam mit Argentinien die Kandidatur für die Fußballweltmeisterschaft 2030 bekommen – 100 Jahre nach der ersten Weltmeisterschaft in Montevideo!“, erzählt Jörg.
Vor dem Nationalstadion stieg ich aus Jörgs Auto aus und ging ins Sportmuseum hinein, wo der größte Teil gerade der Fußballweltmeisterschaft 2030 gewidmet ist. Aus dem Museum gelangt man ins Stadion, wo der grüne Rasen und die blauen Tribünen fast genauso aussehen wie im Jahr 1930.
WEISSE SCHWÄNE, EL GRECO UND RODIN
Die glorreichen Tage von Argentinien und Uruguay waren gerade in diesen 30er und 40er Jahren, als die ganze Welt in den Klauen der Wirtschaftskrise und später des Zweiten Weltkriegs feststeckte. Der weltweite Export von Rohstoffen, aber vor allem der Export von Rindfleisch, führte dazu, dass Südamerika (vor allem Argentinien, Uruguay, Chile und Brasilien) eine Oberschicht bekam, deren Reichtum, Häuser, Bauernhöfe und Besitz für europäische und nordamerikanische Standards enorm erschien. Das Haus der Familie Errázuriz wurde Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut und stellt einen dieser Paläste dar, inspiriert von der französischen Architektur aus der Zeit Napoleons III (Mitte des 19. Jahrhunderts). Die Besitzer füllten das Haus mit einer großen Anzahl an Kunstwerken, darunter ein El Greco und nur der Ausbruch des Ersten Weltkriegs vereitelte die Lieferung eines Steinkamins, der aus Frankreich bei niemand anderem als Auguste Rodin bestellt wurde. Heute ist der Palast Errázuriz ein Museum der dekorativen Künste, aber der Geist der alten Zeit ist bei jedem Schritt zu spüren, vom prächtigen Garten mit einem künstlichen See, in dem Schwäne, die von russischen Ballerinas bewundert wurden, schwammen über den grandiosen Ballsaal bis hin zum Speisesaal, mit dem die Gastgeber ihre Gäste beeindrucken wollten.
Die große Zuwanderung am Ende des 19. und in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts führte 6 Millionen Menschen nach Argentinien, vor allem aus Europa: Italiener, Spanier, Deutsche, Juden, Polen… Zur Zeit, als Evita Perón und ihr Ehemann zwar gefeiert, aber auch infrage gestellt wurden (zweite Hälfte der 40er und Anfang der 50er Jahre), fanden auch Zehntausende Ex-Nazis ihren Weg nach Argentinien, wo ihre Nachkommen heute noch leben. Einer der größten und schwersten Verbrecher des Zweiten Weltkriegs Adolf Eichmann wurde 1960 vom Mossad in Argentinien „eingepackt“ und heimlich nach Israel ausgeliefert, wo er zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Eichmann blieb der Einzige, der von einem israelischen Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Nach seiner Hinrichtung wurde er eingeäschert und seine Asche ins Mittelmeer verstreut.
Gehen wir nun zurück zu Eva Perón, deren Gesicht heute noch auf vielen öffentlichen Gebäuden in Buenos Aires zu sehen ist (am größten wurde sie auf dem Gesundheitsministerium abgebildet) und ihr Grab ist immer noch ein Ort der Wallfahrt sowohl für Argentinier als auch für zahlreiche Touristen, die meistens, wenn sie von ihr sprechen, die Popsängerin Madonna vor Augen haben, die Eva in einem Musical aus dem Jahr 1996 gespielt hat. Sie war berühmt für ihre Fürsorge den Arbeitern, Armen und Alten gegenüber, für elternlose Kinder organisierte sie „Kinderstädte“, sie sorgte dafür, dass sie ans Meer fahren und in die Berge gehen konnten. Auf der anderen Seite wird die Herrschaft von Eva und Juan von vielen als Zeit einer sozial-realistischen Repression, eines Personenkults und dem Gemunkel mit Nazis und Francos Regime empfunden… Ihre „Rainbow Tour“ 1947 bei der sie Italien, Frankreich und Spanien besuchte, ließ Europa aufgrund dieser „Charme-Offensive“ sprachlos werden, wie man das heute diplomatisch sagen würde. Besonders herzlich wurde sie in Francos Spanien empfangen.
EVITA PERONS BIZARRE POSTHUME „TOURNEE“
Der erwähnte „Celebrity Friedhof“ La Recoleta hat am Eingang einen Plan des Mausoleums mit Nachnamen und weniger eingeweihte Reisende hätten es schwer, Evitas letzte Ruhestätte zu finden – sie wurde nämlich im Familiengrab Duarte begraben, der auch ihr Geburtsname war. Die skurrile Geschichte von Evitas „posthumen Epos“ beginnt 1953 mit der Einbalsamierung und einer pompösen Prozession zu ihren Ehren durch die Straßen von Buenos Aires und tausenden Blumen, die die Einwohner von ihren Balkonen aus auf ihren Sarg warfen. Es gab auch einen Plan, Evitas einbalsamierten Körper wie den von Lenin auszustellen und das in einem riesigen Mausoleum, das größer als die Freiheitsstatue in New York sein sollte. Zwei Jahre später wurde der Bau von Evitas Mausoleum wegen eines Militärputsches unterbrochen, der Juan Perón stürzte, der dann das Land verließ und den einbalsamierten Körper seiner Frau mit sich nahm. Evita wurde in Mailand, in Italien unter dem Namen María Maggi begraben, während in ihrer Heimat ihre Namen nicht laut ausgesprochen werden durften.
1971 exhumierte Juan ihren einbalsamierten Körper und ließ ihn in sein Haus in Spanien überführen und bewahrte ihn schließlich in einem Sarg auf einem Gestell in seinem Esszimmer auf. 1973 kommen Perón und seine dritte Ehefrau Isabella in Argentinien wieder an die Macht, er stirbt ein Jahr später und Isabella wird Präsidentin der Republik, die erste Staatschefin überhaupt in der westlichen Hemisphäre. Präsidentin Isabella Perón beschließt, Evitas Leichnam nach Argentinien zurückzubringen, und heute befindet sich ihr Grab am bereits erwähnten Friedhof La Recoleta in Buenos Aires.
Nicht weit davon entfernt – auf dem Platz der Unabhängigkeit (Plaza Independencia) erstrahlt die in Pink gefärbte Casa Rosada – ein Präsidentenpalast, von dessen Balkon aus Evita und Juan Perón zu Tausenden Anhängern sprachen. Heute gibt es auf dem Platz keine „Peronisten“ mehr, aber man kann stattdessen tagtäglich Veterane aus dem Falklandkrieg von 1982 sehen, die um ihre Rechte kämpfen, aber auch Mütter der „verschollenen“ politischen Gefangenen aus der Zeit der Militärjunta (1976 – 1983). Die Narben aus dem Falklandkrieg sind überall zu erkennen. Nach einer zwei Monate langen Auseinandersetzung im Sommer 1982, als Margaret Thatcher eine Flotte schickte, um die Falklandinseln (Malwinen, wie die Argentinier sagen würden) zurückzugewinnen, verloren 255 britische und 649 argentinische Soldaten, aber auch drei Zivilisten ihr Leben. Regan unterstützte Thatcher und verletzte dabei die „panamerikanische Solidarität“, die Briten trugen den Sieg davon und gewannen die Ehre des „Imperiums, in dem die Sonne nie untergeht“ zurück, und die argentinische Niederlage führte sehr schnell zum Sturz der Militärjunta. Die Veteranen des Falklandkrieges, die heute ungefähr 60 sind, protestieren heute noch in Zelten auf dem Platz der Unabhängigkeit und verlangen ihre Rechte.
Am anderen Ende der Stadt befindet sich das Stadtviertel Caminito, in dem auf den Terrassen der Restaurants, während man das fantastische Rindfleisch und den nicht weniger fantastischen Rotwein genießt, Tango getanzt wird. „Verschwindet aus Caminita vor Sonnenuntergang!“, ermahnte uns ziemlich ernst der Mann an der Rezeption unseres Hotels. Ein Gebiet, das tagsüber ein „Böhmisches Viertel“ darstellt, wird bei Nacht zu einem Ort, an dem Sie jemand ernsthaft verletzen kann, weil er Ihre Kette vom Hals oder die Uhr von Ihrer Hand haben möchte.
Im 21. Jahrhundert ist Lateinamerika zwar von Kriegen verschont geblieben, aber es scheint, als wäre es von der Kriminalität verflucht, da die Kriminalitätsrate im Durchschnitt nie höher war, vom Rio Grande an der Grenze zu den USA bis nach Feuerland im Süden.
Rođen 27.7.1968. u Baču (Vojvodina, Srbija). Srednju školu završio u Bačkoj Palanci, Pravni fakultet studirao u Novom Sadu. Od 1990. radi kao novinar – u početku kao novosadski dopisnik beogradskih “Večernjih novosti”; zagrebačke “Arene”, sarajevskih “Naših dana”. Sarađuje i u magazinima “Vreme” i “Stav”.
1992. sa grupom studenata obnavlja izlaženje studentskog mesečnika “Index”. Posle dva broja sledi smena celokupne redakcije i pokretanje magazina “Nezavisi Index” koji će kasnije 1993. promeniti ime u “Svet” iz kojeg je nastala izdavačka kuća Color Press Grupa.
Danas na čelu Color Press Grupe najvećeg izdavača magazina u regionu sa kompanijama u svih 6 republika – 110 magazina, 25 internet portala i preko 80 konferencija i festivala godišnje.
U porfoliju kompanije pored domaćih (poput magazina “Lepota i zdravlje”, “Svet”, “Pošalji recept”, “Lekovito bilje” itd) nalaze se i brojni licencni brendovi: “The Economist”, “Hello!”, “Gloria”, “Story”, “Star”, “Lisa Moj stan”, “Hausbau”, “Brava Casa”, “Bravo”, “Alan Ford”, “Grazia”, “La Cucina Italiana”, “Auto Bild” i brojni drugi.